Samstag, 23. Juli 2011

Neues Portal gegen den Etikettenschwindel im Lebensmittelbereich

Im Zeitalter von Analogkäse, Klebeschinken und ESL-Milch sind Hintergrundinformationen rund um Lebensmittel und deren Zutaten nötiger denn je. Hier setzt das neue Portal lebensmittelklarheit.de an – es gibt Verbrauchern aber auch Gelegenheit, Produkte zu melden, bei denen sie sich durch die Aufmachung oder Kennzeichnung getäuscht oder irregeführt fühlen.
Denn genau das ist angesichts vollmundiger Werbeversprechen und klangvoller Bezeichnungen häufig der Fall – falsche Erwartungen verlocken zum Kauf. Das neue Portal lebensmittelklarheit.de soll nun für mehr Durchblick sorgen: Es bietet Hintergrundinformationen für Verbraucher, die sich über die geltenden Vorschriften und gesetzlichen Regelungen in Sachen Lebensmittel-Kennzeichnung schlaumachen möchten.

Fragen gibt’s genug: Wie viel Leber muss in einer Leberwurst enthalten sein? Darf Schafskäse aus Kuhmilch gewonnen werden? Und muss Bananenschokolade Bananen enthalten? In einem Diskussionsbereich haben Nutzer zudem die Möglichkeit, sich mit Experten in Chats und Foren zum Thema Lebensmittel-Kennzeichnung auszutauschen. Begleitende Marktuntersuchungen und Verbraucherbefragungen sollen die im Internet gewonnenen Erkenntnisse überprüfen.

Das eigentliche Herzstück der Seite ist jedoch der „Produktbezogene Bereich“, den die Lebensmittelindustrie einen „Internet-Pranger“ nennt und gegen den sie seit Monaten Stimmung macht: Hier können Verbraucher konkrete Produktbeispiele melden, bei denen sie sich durch die Aufmachung oder Kennzeichnung getäuscht oder irregeführt sehen. Lebensmittel-Experten der Verbraucherzentrale Hessen, die gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband für lebensmittelklarheit.de inhaltlich verantwortlich ist, nehmen die eingereichten Beispiele dann unter die Lupe und beurteilen, ob beim gemeldeten Produkt Täuschungspotenzial besteht oder nicht. Wenn ja, gehen die entsprechenden Beschwerden unter Nennung des konkreten Produkts, mitsamt Produktbild und einer Einschätzung durch die Verbraucherschützer online. Der Hersteller bekommt Gelegenheit, binnen einer Frist eine Stellungnahme abzugeben; auch diese wird veröffentlicht.

Demnächst könnte in dieser unrühmlichen Aufzählung also der Joghurt vertreten sein, auf dessen Deckel Früchte abgebildet sind, der aber laut Zutatenverzeichnis statt Früchten nur natürliche Aromen enthält. Oder eine Speiseöl-Flasche, die den Eindruck vermittelt, es handle sich beim Inhalt um Sonnenblumenöl, bei der aber die botanische Herkunft des Öls nicht angegeben wird. Oder der Angebotsprospekt eines Händlers, der eine Seite mit „Angeboten aus unserer Region“ enthält, wobei nicht alle dort dargestellten Produkte aus der Region stammen.

Die Verbraucherschützer wissen allerdings: „Wenn Verbraucher sich durch die Art der Aufmachung getäuscht fühlen, muss es sich nicht unbedingt um Rechtsverstöße handeln.“ Das ist auch der Hauptgrund für die Lebensmittelindustrie, gegen die neue Seite Sturm zu laufen: Es sei nicht akzeptabel, dass Produkte, die rechtlich in Ordnung sind, auf der Internetseite auftauchen, nur weil sich Verbraucher getäuscht fühlten oder nicht genügend Hintergrundwissen hätten.

Die Industrie läuft Sturm gegen das Portal

Die Industrie fürchtet das Portal aber auch aus einem anderen Grund: Die Hersteller wittern drohende weitere Verschärfungen der Lebensmittel-Kennzeichnungspflicht, die Verbraucherschützer schon längst fordern. Die neue Internetseite solle „aufdecken, in welchen Fällen Rechtsvorschriften nicht ausreichen oder nicht konkret genug sind, um eine Verbrauchertäuschung auszuschließen“, heißt es denn auch im Projektvorstellungs-Papier der Verbraucherzentrale Hessen. Und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hofft ganz offiziell darauf, dass die Politik durch das neue Portal erfahre, „wo die Verbraucher der Schuh drückt“. Schließlich ist lebensmittelklarheit.de Teil der Ministeriums-Initiative „Klarheit und Wahrheit bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln“ und wird durch Ministeriumsgelder gefördert.

Wie erfolgreich die neue Seite sein wird, ist noch offen. Doch ein Blick auf www.abgespeist.de zeigt schon einmal, was möglich ist: „Denn Etiketten lügen wie gedruckt“ lautet der Untertitel der Seite, mit der Foodwatch die „Werbelügen auf Lebensmitteln“ entlarvt. Regelmäßig hinterfragt die Verbraucherschutz-Organisation, was Lebensmittelpackungen, Aufkleber und Etiketten versprechen – und scheut sich nicht, ihre für die Hersteller oft wenig schmeichelhaften Erkenntnisse publikumswirksam öffentlich zu machen. So bekam Ferrero für „den unverantwortlichen Versuch, die fett- und zuckerreiche Milch-Schnitte als ,leichte’ Zwischenmahlzeit zu verkaufen“, den „Goldenen Windbeutel für die dreisteste Werbelüge 2011“ verliehen. Aber auch zahlreiche andere Lebensmittel und deren Produzenten hatten schon die zweifelhafte Ehre, genannt zu werden – in manchem Fall führte der öffentliche Protest von Verbrauchern sogar schon zur Änderung von Etiketten oder Rezepturen.
Quelle: geldsparen.de

Über folgende Portale können sich Verbraucher informieren und Einfluss nehmen:

www.foodwatch.de
http://www.lebensmittelklarheit.de
www.abgespeist.de

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